BGH zum Sachverständigenhonorar
Heute dürften sich insbesondere die Sachverständigen unter Ihnen von unserem Beitrag angesprochen fühlen.
Und dieses ist aus unserer Sicht insoweit auch wünschenswert, denn es gibt ein relativ frisches Urteil des BGH vom 07.02.2023 (Aktenzeichen: VI ZR 137/22) zu besprechen.
Dieses haben wir natürlich wie immer unten verlinkt. Bei Interesse können Sie daher den genauen Wortlaut nochmals nachlesen.
Das Urteil ist recht umfangreich, da es sich zunächst insbesondere auch mit einigen prozessrechtlichen Fragen und Fragen zur Aktivlegitimation beschäftigt. Hier ist es nämlich so gewesen, dass der Sachverständige selbst aus abgetretenem Recht geklagt hat.
Mithin musste zunächst einmal geprüft werden, inwieweit die zwischen dem Sachverständigen und dem Kunden abgeschlossenen Verträge in Form von Abtretungserklärungen wirksam waren.
Dabei werden zunächst einige Fragen geklärt, die nur dann zu klären sind, wenn der Sachverständige aus eigenem abgetretenem Recht klagt.
Diese Fragestellung ergibt sich in der Regel dann nicht, wenn der Kunde selbst seine Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend macht, so wie es in aller Regel von uns gehandhabt wird.
Nichts destotrotz wird in dem Urteil aber auch die Abtretungserklärung als solche thematisiert, denn das Urteil des BGH befasst sich dann insbesondere noch mit der Frage, inwieweit eine zwischen dem Kunden und dem Sachverständigen getroffene Preis- oder Honorarvereinbarung Indizwirkung für die Erforderlichkeit des Sachverständigenhonorars bei der Sachverständigenrechnung entfaltet.
Das eine zwischen dem Kunden und dem Sachverständigen getroffene Preis- oder Honorarvereinbarung Indizwirkung entfalten kann ist bereits seit längerem klar.
Unklar und insbesondere seit dem Urteil des BGH vom 05.06.2018 (Aktenzeichen: VI ZR 171/16) umstritten ist die Frage gewesen, inwieweit für eine Indizwirkung der Höhe des Sachverständigenhonorars zusätzlich noch erforderlich ist, dass der Geschädigte die Sachverständigenhonorarrechnung eigenständig bezahlt hat, wenn der Versicherer vorher lediglich gekürzt hatte.
Dieses wurde unter Berücksichtigung des oben zitierten Urteils aus dem Jahre 2018 immer wieder insbesondere von Versicherern angenommen, denn der insoweit regelmäßig zitierte Satz lautet:
„Legt der Geschädigte oder der an seine Stelle getretene Zessionar lediglich die unbeglichene Rechnung über die Sachverständigenkosten vor, genügt ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt“.
Wie so oft bei der Auslegung von Urteilen machen sich die eine oder die andere Seite den Wortlaut zu nutze wie er ihnen letztendlich zu Gute kommt.
Die Versicherer haben sich in diesen Fällen insbesondere auf die erste Hälfte des Satzes beschränkt und darauf hingewiesen, dass ein einfaches Bestreiten genüge, wenn lediglich eine unbeglichene Rechnung vorgelegt werde.
Der zweite Halbsatz jedoch, der lautet „…, wenn nicht der Geschädigte oder der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt“ wurde von den Versicherern letztendlich gerne weggelassen.
Das jetzt im Februar ergangene Urteil macht jedoch klar, dass diese anderen konkreten Anhaltspunkte eben eine zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen getroffene Preis- oder Honorarvereinbarung sein können.
Der BGH macht mit seinem neuen Urteil klar, dass eben auch eine solche isoliert vorliegende Preis- und Honorarvereinbarung - auch ohne beglichene Rechnung - ein Indiz darstellen kann.
Fakt ist jedoch, dass der BGH zudem festhält, dass nicht alleine eine solche Preis- oder Honorarvereinbarung reicht sondern - wenn mit einer Abtretung gearbeitet wird - nicht eine solche Abtretung an Erfüllung statt hinzutreten darf.
Eine Abtretungserklärung „an Erfüllung statt“ bedeutet nämlich, dass mit Unterzeichnung dieses Vertrages der Geschädigte letztendlich freigestellt ist von jeder Forderung durch den Sachverständigen und mithin die Abtretung für den Geschädigten wie die Erfüllung der Forderung wirkt. Er ist damit hinsichtlich der Forderung des Sachverständigen befreit.
Der Sachverständige kann dann aus eigenem abgetretenem Recht die Forderung bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend machen aber nicht mehr bei seinem Kunden.
Der BGH stellt letztendlich klar, dass eine solche Preis- oder Honorarvereinbarung nur dann indiziell ist, wenn auch davon auszugehen ist, dass der Geschädigte sich bei Abschluss einer solchen Preis- oder Honorarvereinbarung auch tatsächlich Gedanken über die Höhe des von ihm vereinbarten Honorars machen muss.
Wenn er nämlich gleichzeitig eine Abtretung an Erfüllung statt unterzeichnet, so wird dadurch deutlich, dass ihn letztendlich die Preis- oder Honorarvereinbarung gar nicht interessiert. Wenn er sich nämlich mit einem Abtretungsvertrag von der Forderung befreit, kann es ihm ja letztendlich egal sein wie hoch die Preise sind, die er gerade vereinbart hat.
Da der BGH aber in schöner Regelmäßigkeit seine Urteile und die Erforderlichkeit des Sachverständigenhonorars mit den folgenden Formulierungen einleitet, kann eine Indizwirkung sich nur dann entfalten, wenn anhand der getroffenen Vereinbarung auch deutlich wird, dass der Geschädigte zumindest in dem ihm möglichen Rahmen eine Plausibilitätskontrolle des von ihm vereinbarten Sachverständigenhonorars vorgenommen hat.
Der BGH führt dazu aus:
„Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2. Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadenbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.
Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich allerdings eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat. Im Falle einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren.“
Insbesondere der letzte Satz nimmt nunmehr nochmals deutlich auf die Preisvereinbarung Bezug.
Das heißt auch bei Vereinbarung eines Preises mit dem Sachverständigen ist der Geschädigte gehalten, zumindest eine Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Diese wird in aller Regel dann als geschehen angenommen, wenn sich die Preisvereinbarung anhand öffentlicher Tabellen oder Vorschriften (insbesondere BVSK-Honorarbefragung und JVEG) orientiert.
Wenn er aber eine Abtretung an Erfüllung statt unterzeichnen würde, wird letztendlich davon ausgegangen, dass er eine solche Plausibilitätskontrolle nicht durchgeführt hat, da er daran gar kein Interesse hatte.
Mithin kann eine solche Preisvereinbarung gepaart mit einer Abtretung an Erfüllung statt auch kein Indiz für die Erforderlichkeit des Sachverständigenhonorars darstellen.
Aus all dem folgt, dass zwar zukünftig wohl davon ausgegangen werden darf, dass eine Zahlung des restlichen Sachverständigenhonorars nicht mehr erforderlich ist, wenn man den Differenzbetrag auf gerichtlichem Wege geltend machen will. Es ist jedoch vermehrt darauf Acht zu nehmen, ob eine Preisvereinbarung zum einen ausreichend transparent für den geschädigten Kunden getroffen wurde und wenn eine Abtretungserklärung zusätzlich vorliegt, ob diese ausreichend deutlich macht, dass der Geschädigte auch bei Ablehnung des Sachverständigenhonorars gegenüber dem Sachverständigen von diesem in Anspruch genommen werden kann.
Der Sachverständige muss daher in seiner Abtretungserklärung ausreichend deutlich machen, dass der Geschädigte nicht aus seiner Schuld entlassen ist.
Es muss dem Geschädigten aufgrund des Wortlautes der Abtretung klar sein, dass dann, wenn das Sachverständigenhonorar nicht vollständig gegenüber der Versicherung durchgesetzt werden kann, der Geschädigte weiter Ansprechpartner ist und weiter grundsätzlich zahlen muss.
Sollte sich dieses aus der Abtretungserklärung nicht eindeutig ergeben, so besteht die Problematik, dass es im Zusammenhang mit einer solchen Abtretungserklärung nicht nur zu Schwierigkeiten mit einer etwaigen Aktivlegitimation bei einem Aktivprozess des Sachverständigen kommen könnte, sondern auch die Preisvereinbarung, die zuvor getroffen wurde, ihre Indizwirkung verliert.
Es ist daher vor dem Hintergrund dieser BGH-Rechtsprechung recht deutlich erkennbar, wie der Sachverständige sich zu verhalten hat, wenn er sein gekürztes Sachverständigenhonorar gerichtlich durchsetzen will.
Es muss eine Preisvereinbarung getroffen werden. Es muss eine Abtretung entsprechend formuliert werden, wenn denn der Sachverständige mit einer Abtretung arbeiten will.
Wenn sodann die Preisvereinbarung sich anhand der BVSK-Honorarbefragung orientiert und hinsichtlich der Nebenkosten sowohl an dieser als auch am JVEG, so steht im Grunde genommen einer erfolgreichen gerichtlichen Durchsetzung der Differenzbeträge nichts im Wege. Wir haben hier insbesondere beim AG Coburg auch regelmäßig Erfolg.
Gerne unterstützen wir Sie sowohl bei der Formulierung der Abtretungserklärung als auch der Preisvereinbarung und aber auch bei der gerichtlichen Durchsetzung der Differenzbeträge.
Dabei ist es natürlich nach wie vor ratsam, im Namen des Geschädigten zu klagen und die Sachen von Anfang an aus einer, nämlich aus unserer Hand, zu bearbeiten.
Wir sind dafür bekannt und machen es uns auch zur Aufgabe, eine von uns bearbeitete Unfallangelegenheit nicht abzulegen, bis nicht auch die letzte unberechtigte Kürzung gegenüber dem Versicherer erfolgreich durchgesetzt wurde.
Wenden Sie sich hier gerne vertrauensvoll an uns.
Hier geht`s zum Urteil des BGH