Fehlende Belehrung des Fahrzeughalters bei der Unfallflucht
Heute wollen wir uns einmal der Frage widmen, wie im Verkehrsstrafrecht ein Täter ermittelt werden kann.
So ist es gerade im Verkehrsstrafrecht oftmals so, dass zwar beobachtet wird, dass mit einem Fahrzeug eine Straftat begangen wird, wie beispielsweise eine Gefährdung des Straßenverkehrs, eine Trunkenheitsfahrt oder insbesondere auch ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (die sogenannte Unfallflucht).
Es ist jedoch im Strafrecht so, dass der Täter zweifelsfrei ermittelt werden muss, denn es kann nicht einfach der Halter des Fahrzeuges verantwortlich gemacht werden.
Da sich die Beobachtungen jedoch oftmals lediglich darauf beschränken, dass jemand gesehen hat, dass mit einem Kraftfahrzeug eine entsprechende Tathandlung begangen wurde, ist die Frage zu stellen, wie die Ermittlungsbehörden positiv nachweisen können, dass der oder die Täterin tatsächlich auch am Steuer dieses Fahrzeuges saß.
Dieses ist immer dann einfach, wenn der oder die Täterin „auf frischer Tat ertappt“ wird. Dabei kann entweder der oder die Täterin noch während der Fahrt von der Polizei angehalten und überprüft werden oder aber es gibt so detaillierte Zeugenaussagen, die sich auch auf den Fahrer des Fahrzeuges beziehen, dass zweifelsfrei erwiesen ist, wer das Fahrzeug gesteuert hat. Denkbar sind überdies Videoaufnahmen, auf welchen der Täter erkennbar ist.
Oftmals ist es jedoch so, dass Zeugen nur rudimentär einen Fahrer beschreiben können oder gar nicht.
So kommt es immer wieder vor, dass Zeugen zwar genau gesehen haben, welches Fahrzeug mit welchem Kennzeichen wie gefahren ist oder sich beispielsweise vom Unfallort entfernt hat, nachdem es zu einer Kollision kam, der oder die Fahrerin kann jedoch nicht beschrieben werden. Dabei bleibt die Beschreibung oftmals schon bei der Frage des Geschlechts des Fahrers hängen.
Für die Polizei naheliegend ist es dann, zunächst einmal den Halter des Fahrzeuges zu ermitteln und diesen zu befragen.
Wenn nämlich die Polizei bis dahin trotz weitestgehend ausermittelter Sachlage, was Zeugen oder beispielsweise Kameras angeht, keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, wer das Fahrzeug gesteuert hat, kommt nur die Befragung des Halters in Betracht.
Die Polizei kann daher in diesem Stadium oftmals nur darauf hoffen, dass der Fahrer sich tatsächlich zu erkennen gibt.
Ab jetzt möchte ich einmal aus Sicht des Strafverteidigers weiter beleuchten, wie ein ideales Verhalten eines Fahrzeugführers, der gleichzeitig auch der Halter des Fahrzeuges ist, dann aussieht.
Nun ist es nämlich so, dass die Polizeibeamten, die in der Straftat ermitteln, dann oftmals auf den Halter des Fahrzeuges zukommen und mit diesem zunächst ein informatorisches Gespräch führen.
Ungeachtet dessen, dass der Strafverteidiger ohnehin (würde er vorher gefragt) immer empfehlen würde, sich gegenüber dem Polizeibeamten gar nicht zu äußern, ist dann jedoch oftmals zu beobachten, dass die Polizeibeamten im Rahmen einer solchen informatorischen Befragung den Halter zunächst einmal fragen, wer denn das Fahrzeug zur Tatzeit gesteuert hat.
Wenn der Fahrzeughalter, der in dem Fall das Fahrzeug auch gesteuert hat, im Rahmen einer solchen informatorischen Anhörung möglicherweise auch spontan äußert, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Tat gefahren zu haben, so veranlasst dies die Polizeibeamten dann dazu, denjenigen mit einem Strafvorwurf zu konfrontieren.
Man könnte nun denken, die Polizeibeamten hätten dadurch die ermittlungstechnische Hürde der Ermittlung des Fahrers zum Tatzeitpunkt überwunden.
Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Polizeibeamten den Halter bereits vor der Befragung als Beschuldigten belehrt haben und ihn darauf hingewiesen haben, dass er als Verdächtiger einer Straftat das Recht hat, sich nicht zu äußern.
Es ist nämlich in den letzten Jahren immer wieder von Gerichten festgestellt worden, dass beispielsweise bei dem Vorwurf einer Unfallflucht der Halter immer vor Befragung entsprechend zu belehren ist, da der Halter eines Kraftfahrzeuges in diesen Fällen immer als Verdächtiger der Straftat gelten müsse.
Wenn also die Polizeibeamten ohne jede Belehrung zunächst einmal informatorisch den Halter anhören und im Rahmen dieser informatorischen Befragung der Halter zugibt, das Fahrzeug gefahren zu sein, so kann dessen Aussage später nicht gegen ihn verwertet werden, da ein Beweisverwertungsverbot besteht. Hintergrund ist die fehlende Belehrung als Beschuldigter. So sieht es beispielsweise auch das OLG Nürnberg mit Beschl. v. 04.07.2013, Az.: 2 OLG Ss 113/13.
Nun mag man denken, dass es sich dabei um ein rein theoretisches Problem handelt. Dem ist jedoch mit Nichten so.
Immer wieder lesen wir in Strafakten, dass die Polizeibeamten zunächst im Rahmen einer informatorischen Anhörung den Halter des Fahrzeuges befragen und erst dann belehren, wenn dieser angibt, das Fahrzeug gesteuert zu haben.
Wenn dies im Rahmen des Studiums einer Strafakte auftaucht, klingeln alle Alarmglocken.
Wenn nämlich ansonsten keinerlei Möglichkeit besteht, den Fahrer des Fahrzeuges zu ermitteln und der gesamte Vorwurf gegenüber dem Beschuldigten darauf beruht, dass dieser im Rahmen einer informatorischen Anhörung angegeben hat, das Fahrzeug gefahren zu sein, so bestehen gute Chancen, eine erfolgreiche Verteidigung vorzunehmen.
Umso wichtiger ist auch in diesen Fällen die sorgfältige Durchsicht der Ermittlungsakten, wenn sich einmal ein Halter „verplappert“ hat.